Bild mit Eule auf einem Buch sitzendKathrin Fuchs
@kathrinfuchs

Fehler des Jobcenters: Vertrauensschutz gestärkt! Bürgergeld darf nicht zurückgefordert werden!

Bunte Paragraphenzeichen. Sie stehen für ein Gerichtsurteil zum Bürgergeld und Vertrauensschutz
Fehler des Jobcenters: Vertrauensschutz gestärkt! Bürgergeld darf nicht zurückgefordert werden! 2

Am 16. April 2025 veröffentlichte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Az. L 3 AS 772/23) eine richtungsweisende Entscheidung vom 03. April 2025 zugunsten einer Bürgergeldempfängerin und ihrer Familie. Im Mittelpunkt des Falles stand die Frage, ob das Jobcenter überzahlte Leistungen zurückfordern darf, nachdem es bei der Einkommensanrechnung einen Fehler begangen hatte. Die Bedeutung dieses Urteils für Leistungsempfänger:innen ist erheblich!

Der Fall im Überblick

Bürgergeld und Einkommensanrechnung

Eine Familie, die seit Juli 2020 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht, sah sich im Jahr 2021 mit einer Einkommensänderung konfrontiert. Der Ehemann trat eine Stelle als Verkäufer mit einem Arbeitsvertrag von 1.600 € netto an. Das Jobcenter berücksichtigte jedoch irrtümlich ein Bruttogehalt von 1.600 €, was zu einer falschen Berechnung der Leistungen führte.

Trotz Vorlage der Lohnbescheinigung, die ein Bruttoeinkommen von 2.001,75 € auswies, wollte das Jobcenter den Fehler rückwirkend berichtigen und forderte überzahlte Leistungen in Höhe von mehr als 3.000 € zurück .

Urteil des Landessozialgerichts

Während das Sozialgericht Berlin zunächst dem Jobcenter zustimmte, hob das Landessozialgericht die Entscheidung auf Berufung der Familie hin auf. Das Gericht stellte klar, dass der Fehler dem Bürger nicht als grob fahrlässig angelastet werden kann, wenn der Bescheid nicht nachvollziehbar oder klar genug für einen juristischen Laien ist. Die Ehefrau, die in der Familie den Kontakt mit den Behörden pflegte, gab glaubhaft an, die Fachbegriffe “brutto” und “netto” nicht sicher unterscheiden zu können.

Aus diesem war ihr Vertrauen auf die Richtigkeit des Bescheides gerechtfertigt .

Rechtlicher Rahmen und Bedeutung:

Der Richterspruch basiert auf § 45 SGB X, wobei der Schutz des Vertrauens des Bürgers in den Bestand eines Verwaltungsakts gegenüber dem Interesse des Jobcenters an einer Korrektur höher gewichtet wurde. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betroffene die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht erkennt und keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt.

Merksatz: Ein Leistungsempfänger hat aufgrund seines Vertrauens in die Richtigkeit der Entscheidung das erhaltene Geld gutgläubig verbraucht.

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung einer klaren und verständlichen Kommunikation zwischen Behörden und Bürgern. Da die Jobcenterbescheide grundsätzlich schwer zu verstehen sind, liegt häufig keine grobe Fahrlässigkeit auf Seiten der Leistungsempfänger vor.

Das heißt, es gibt in solchen Konstellationen gute Verteidigungsmöglichkeiten. Das Urteil gibt Orientierung für Leistungsempfänger:innen nach dem SGB II, sich im Falle von Fehlern bei der Leistungsberechnung erfolgreich zur Wehr zu setzen.

Ausblick

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Jobcenter hat die Möglichkeit, beim Bundessozialgericht die Zulassung der Revision zu beantragen. Außerdem muss beachtet werden, dass andere Sozial- und Landessozialgerichte durchaus anders entscheiden können und in diesem Fall ein sehr spezifischer Empfängerhorizont in Bezug auf Brutto/Netto zugrunde lag.

Achtung: Urteil nicht auf vorläufige Leistungsbewilligungen anwendbar!

Es ist wichtig zu wissen, dass die vorliegende Entscheidung des Landessozialgerichts sich auf die endgültige Leistungsbewilligung bezieht. Bei einer nur vorläufigen Leistungsbewilligung wäre die Rechtslage anders zu bewerten gewesen. In solchen Fällen greift § 45 SGB X nicht, da vorläufig bewilligte Leistungen per se unter einem Vorbehalt stehen und jederzeit aufgrund neuer Tatsachen oder Veränderungen zurückgenommen werden können.

Bei vorläufigen Entscheidungen besteht weniger Schutz des Vertrauens auf den Bescheid, da die Natur der vorläufigen Bewilligung eine Rücknahme oder Anpassung aufgrund neuer Erkenntnisse immer erlaubt. Daher hätte das Jobcenter in einem solchen Szenario wahrscheinlich erfolgversprechende Möglichkeiten gehabt, die überzahlten Leistungen zurückzufordern, ohne dass es auf die Vertrauensschutzregelung hätte Rücksicht nehmen müssen. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit für Empfänger:innen von Bürgergeld, die Art ihrer Leistungsbewilligung genau zu prüfen.

Merke also: § 45 SGB X gilt nur für von Anfang an rechtswidrige, endgültige bzw. abschließende Bescheide respektive diejenigen Bestandteile eines Bescheides, die nicht als vorläufig bezeichnet wurden.

Fazit

Diese Entscheidung ist ein bedeutendes Signal für Leistungsbezieher*innen, dass Bescheide vom Jobcenter, aber natürlich auch von anderen Behörden, gründlich geprüft werden sollten, bevor Rückforderungen akzeptiert werden. Vertrauen in die zustehenden Rechte bleibt ein Grundpfeiler unserer sozialen Gerechtigkeit.

Insbesondere die Vertrauensschutzregeln des § 45 SGB X sind oft Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten.

Für weitere Informationen zu Sozialrechtsthemen und rechtliche Beratung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

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