Bild mit Eule auf einem Buch sitzendKathrin Fuchs
@kathrinfuchs

Arbeitsunfall beim Kaffeetrinken – Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz trotz eigenwirtschaftlicher Tätigkeit?

Eine Frau mit einer Kaffetasse in der einen und einem Dokument in der anderen Hand
Arbeitsunfall beim Kaffeetrinken – Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz trotz eigenwirtschaftlicher Tätigkeit? 2

Einleitung: Welche Unfälle sind am Arbeitsplatz versichert und was gilt bei eigenwirtschaftlicher Tätigkeit?

Im sozialrechtlichen Alltag stellt sich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelmäßig die Frage, in welchen Situationen ein Unfall am Arbeitsplatz als Arbeitsunfall anerkannt und von der gesetzlichen Unfallversicherung reguliert wird. Besonders häufig stehen sogenannte eigenwirtschaftliche Verrichtungen – also Handlungen außerhalb der eigentlichen Arbeitspflicht – im Mittelpunkt der Diskussion. Das Bundessozialgericht (BSG) hat dies heute am Beispiel eines Sturzes beim Kaffeetrinken im betrieblichen Sozialraum geklärt und damit die Abgrenzung von versicherten und nicht versicherten Tätigkeiten konkretisiert, B 2 U 11/23 R.

Sachverhalt: Unfall nach Kaffeekonsum im Sozialraum
In dem vorliegenden Fall wollte eine Arbeitnehmerin während ihrer Arbeit wie üblich gegen 15:30 Uhr einen Kaffee im vom Arbeitgeber eingerichteten Sozialraum holen. Dabei rutschte sie auf dem frisch gewischten Boden aus und verletzte sich. Die Unfallkasse Hessen hatte die Anerkennung als Arbeitsunfall abgelehnt. Sie argumentierte, beim Kaffeetrinken sowie dem Weg dorthin handele es sich um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit, die nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt. Die Arbeitnehmerin klagte und erhielt vor dem Landessozialgericht Recht; die Unfallkasse legte daraufhin Revision zum Bundessozialgericht ein.

Versicherte vs. eigenwirtschaftlicher Tätigkeit: Was gilt grundsätzlich?
Grundsätzlich gilt: Tätigkeiten wie das Trinken von Kaffee oder der Gang zum Sozialraum werden als eigenwirtschaftlich betrachtet und sind deswegen nicht versichert. Entscheidend ist, ob das Verhalten vorwiegend privaten Interessen dient oder betriebsdienlichen Zwecken, etwa der Aufrechterhaltung der Arbeitskraft. Sind betriebsdienliche Gründe nicht festzustellen, bleibt die Verrichtung privat, damit nicht vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz umfasst und es besteht keine Leistungspflicht der Unfallkassen.

Besondere Betriebsgefahr als Anknüpfungspunkt für Arbeitsunfall
Das Bundessozialgericht hat im zugrundeliegenden Urteil jedoch einen wichtigen Grundsatz betont: Unabhängig davon, ob die Tätigkeit selbst als privat anzusehen ist, besteht ein Unfallversicherungsschutz, wenn sich eine besondere Betriebsgefahr verwirklicht. Diese Betriebsgefahr liegt vor, wenn der Unfall durch eine spezifische betriebliche Gegebenheit verursacht wurde – hier durch den rutschigen Boden, der von der betrieblich eingesetzten Reinigungsfirma unmittelbar zuvor gewischt worden war. Der Sozialraum und dessen Reinigung waren Bestandteil der Organisation des Arbeitgebers, der den Raum ausdrücklich als Ort für Pausen und Getränkeversorgung vorgesehen hatte. Das Risiko des frisch gewischten, nassen Bodens ist dem Betrieb und damit dem Arbeitgeber zuzurechnen.

Praktische Konsequenzen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Für die Praxis bedeutet das Urteil des BSG: Auch wenn ein Unfall während einer privateren Verrichtung wie der Pausengestaltung oder dem Kaffeekonsum passiert, kann ein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bestehen, wenn der Unfall maßgeblich durch ein betriebsbedingtes Risiko verursacht wird. Wichtig ist, dass die konkrete Gefahr (wie ein nasser Boden) aus dem Verantwortungsbereich des Arbeitgebers stammt. Dies ist nicht nur bei Unfällen in Sozialräumen relevant, sondern ebenso für Flure, Treppenhäuser, Kantinen und andere betriebliche Funktionsräume.

Kriterien für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Sozialraum
Die Versicherungspflicht besteht dann, wenn die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer aufgrund der Eingliederung in den Betrieb und der Nutzung betrieblicher Infrastruktur einer spezifischen Gefahr ausgesetzt ist, die sich im Unfall verwirklicht. Entscheidend ist stets eine genaue juristische und tatsächliche Prüfung des Unfallhergangs: Liegt die Ursache in der betrieblichen Organisation oder im privaten Fehlverhalten? Besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zu einer betrieblichen Gefahr?

Unfallanzeige und Beweisführung – Tipps für Arbeitnehmer
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten nach einem Unfall am Arbeitsplatz oder in betrieblichen Pausenräumen umgehend eine Unfallanzeige bei ihrem Arbeitgeber und der zuständigen Unfallversicherung stellen. Eine präzise Schilderung des Unfallhergangs und die Angabe betrieblicher Risikofaktoren sind dabei essenziell für die erfolgreiche Durchsetzung von Ansprüchen auf Heilbehandlung, Verletztengeld oder Verletztenrente. Je nach Sachlage können auch Zeugen oder weitere Beweismittel hilfreich sein, um die betriebliche Mitursächlichkeit nachzuweisen. Für Betroffene empfiehlt sich nach einem Unfall im Betrieb eine umfassende Dokumentation, insbesondere des Unfallortes, des Hergangs und vorhandener Zeugen. Machen Sie ruhig auch Bilder mit Ihrem Smartphone!

Fazit: Bundessozialgericht stärkt den Versicherungsschutz im Betrieb
Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 24. September 2025 unterstreicht, dass die gesetzliche Unfallversicherung nicht nur bei der unmittelbaren Ausübung der Arbeitspflichten greift, sondern auch in Situationen, in denen Arbeitnehmer betriebsbedingten Gefahren ausgesetzt werden – selbst während privat geprägter Verrichtungen wie dem Kaffeetrinken im Sozialraum. Für Arbeitnehmer bedeutet dies einen verbesserten Schutz und mehr Klarheit im Umgang mit Unfallversicherungsfällen im Betrieb.

Wichtiger Hinweis: Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Das BSG hat aber einen Terminbericht mit den wesentlichen Gründen zur Verfügung gestellt, mit denen man bereits argumentieren kann.

Siehe auch weiteren Fall des BSG zum Arbeitsunfall beim Kaffeeholen

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