Bild mit Eule auf einem Buch sitzendKathrin Fuchs
@kathrinfuchs

„GdB-Feststellung nach der VersMedV: So funktioniert die Bemessung Ihres Behinderungsgrads“

Die Feststellung des Grads der Behinderung (GdB) erfolgt nach den Vorgaben des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) und den Bestimmungen der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV). Dabei nehmen Amtsärztinnen und Amtsärzte (oder beauftragte Gutachter/innen) eine ausführliche medizinische Prüfung der vorgelegten Befunde vor. Ziel ist es, die funktionalen Auswirkungen von körperlichen, seelischen, geistigen und Sinnesbeeinträchtigungen umfassend einzuschätzen und einen einheitlichen, nachvollziehbaren GdB zu bestimmen.

Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Anlage zur VersMedV) legen detaillierte Richtlinien fest, die eine einheitliche und vergleichbare Bewertung ermöglichen. Dort werden typischerweise Beschwerdebilder, Erkrankungen und Funktionsbeeinträchtigungen in Kategorien eingeteilt, für die bestimmte GdB-Spannen angegeben sind.
• Einzelfallbetrachtung: Immer entscheidend ist, wie sich die gesundheitlichen Einschränkungen konkret im Alltag auswirken.
• Mehrere Erkrankungen: Liegen mehrere Einschränkungen vor, werden diese nicht einfach addiert, sondern müssen in einer Gesamtschau gewürdigt werden. Dabei ist die schwerwiegendste Beeinträchtigung maßgeblich, und die zusätzlichen Beeinträchtigungen erhöhen den GdB nur, soweit sie die Gesamtwirkung „verschlimmern“.
• Zeitliche Komponente: Die Beeinträchtigung muss voraussichtlich länger als sechs Monate bestehen.

  1. Antragstellung
    • Antragsformulare beim Versorgungsamt (bzw. zuständiger Behörde) ausfüllen. Diese gibt es manchmal auch digital.
    • Aktuelle ärztliche Gutachten, Befunde und Nachweise mitsenden. Bei älteren Diagnosen empfiehlt es sich, noch einmal aktuelle Atteste zu besorgen. Überlegen Sie gut, ob Sie vielleicht Beschwerden haben, wegen denen Sie noch nicht beim Arzt waren. Beispiel: Fersensporn, Reynaud-Syndrom etc. In dem Fall sollten Sie dies ebenfalls ärztlich dokumentieren lassen
  2. Ärztliche Begutachtung
    • Prüfung und Auswertung der Unterlagen durch Amtsärzte oder beauftragte medizinische Gutachter.
    • Ggf. Anforderung zusätzlicher Berichte oder persönlicher Untersuchung.
  3. Zuordnung der funktionalen Einschränkungen
    • Typische Funktionsstörungen werden nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen bewertet.
    • Vergleich mit tabellarischen GdB-Werten.
    Ermittlung des Gesamt-GdB
    • Zusammenfassung aller relevanten Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer Wechselwirkungen.
    • Bei besonders komplexen Fällen oder unklaren Diagnosen Einholung weiterer Fachgutachten.
  4. Bescheid
    • Zustellung eines schriftlichen Bescheids mit Festlegung des GdB (z. B. GdB 30, GdB 50).
    • Einschätzung, ob die Person als schwerbehindert anzusehen ist (GdB von mindestens 50).
    • Bei Unzufriedenheit oder Unklarheiten: Möglichkeit des Widerspruchs.

Angenommen, eine Person leidet an einer mittelschweren Depression und hat zusätzlich eine Kniegelenkarthrose, die das Gehen erschwert:

  • Depression (mittelschwere Ausprägung)
    • Anhand der Versorgungsmedizinischen Grundsätze bewegt sich die Bewertung einer Depression je nach Schweregrad meist zwischen GdB 30 und GdB 50. Bei einer mittelschweren Form, die zu regelmäßigen Einschränkungen im Alltag führt, könnte beispielsweise ein Einzel-GdB von etwa 40 in Betracht kommen.
  • Kniegelenkarthrose (mittlerer bis fortgeschrittener Grad)
    • Auch hier geben die Versorgungsmedizinischen Grundsätze eine Bandbreite vor. Bei einer deutlichen Einschränkung der Beweglichkeit und starken Schmerzen, die den Betroffenen in Beruf und Alltag beeinträchtigen, könnte ein Einzel-GdB von etwa 30 bis 40 angesetzt werden.
  • Gesamt-GdB
    • Da bereits eine Depression mit einem GdB von etwa 40 vorliegt und zusätzlich eine Kniegelenkarthrose bewertet wird, erfolgt die Ermittlung des Gesamt-GdB nicht durch bloße Addition (40 + 30/40 = 70/80).
    • Vielmehr begutachtet das zuständige Versorgungsamt, inwiefern beide Leiden zusammen zu einer gesteigerten Gesamtbeeinträchtigung führen.
    • Nach den Grundregeln der VersMedV könnte sich in diesem Beispiel ein Gesamt-GdB von 50 ergeben, sofern die Arthrose als deutlich belastende Zusatzbeeinträchtigung gewertet wird. Damit läge eine Schwerbehinderung vor und der Betroffene hätte Anspruch auf bestimmte Nachteilsausgleiche (z. B. Zusatzurlaub, Steuerfreibeträge, besonderer Kündigungsschutz).

Die Feststellung des GdB bzw. der Bemessung beruht auf einer differenzierten medizinischen Bewertung und einer rechtlich geregelten Einzelfallprüfung. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze garantieren eine möglichst nachvollziehbare und standardisierte Festlegung. In der Praxis lohnt es sich, alle körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen so genau wie möglich zu dokumentieren und mit ärztlichen Nachweisen zu belegen. Zudem sollte ein Tagebuch über einen Zeitraum von einigen Wochen geführt werden, in dem die konkreten Beschwerden im Alltag festgehalten werden. Dieses sollte dem Antrag beigefügt werden.

Gerade bei komplexen Diagnosen empfiehlt sich zudem die Hinzuziehung einer Anwältin oder eines Anwalts für Sozialrecht, um eine korrekte Einstufung zu erzielen oder im Zweifelsfall Widerspruch gegen einen aus Ihrer Sicht unzutreffenden Bescheid einzulegen.

Rechtlicher Hinweis: Diese Erläuterungen stellen eine allgemeine Information dar und ersetzen keine individuelle Rechtsberatung. Bei speziellen Fragen oder Unsicherheiten sollte stets fachkundiger Rat, insbesondere durch eine Anwältin oder einen Anwalt für Sozialrecht, eingeholt werden.

2 Gedanken zu „„GdB-Feststellung nach der VersMedV: So funktioniert die Bemessung Ihres Behinderungsgrads““

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